Den Kopf ausschalten...

Nach der Fraktur meines Sprunggelenks suchte ich im Netz immer wieder nach „Erfahrungsberichten“, denn man ist sehr schnell verunsichert-hat zu viel Zeit zum Nachdenken. Da ich nichts fand, beschloss ich, meinen Krankheitsverlauf aufzuschreiben.

 

Mitte Januar rutschte ich auf dem Heimweg aus-völlig unspektakulär. Ich dachte, ich stehe auf und laufe weiter, aber das ging nicht. Während ich umknickte, spürte ich ein „Reißen“ im Gelenk, aber mein Kopf brauchte eine ganze Zeit, um zu realisieren, dass das mit dem Aufstehen nicht so einfach klappen wird. Also saß ich da im Schnee und wurde sehr wütend auf meinen Körper. Ein Nachbar stützte mich bis zu unserem Tor, und noch immer hoffte ich, der Schmerz würde nachlassen. In der Notaufnahme wurde der Fuß dann geröntgt. Nachdem der Schuh aus war, sah man deutlich eine Beule am rechten Außenknöchel. Das Röntgenbild bestätigte dann die Vermutung: Weber B-Fraktur! Es erfolgte die Reposition-kein schönes Erlebnis… ein Kontrollröntgenbild mit Gips. Gehhilfen, die nun mein ständiger Begleiter werden sollten, wurden angepasst.

 

Am nächsten Tag musste ich wieder ins Krankenhaus-OP-Vorbereitung. Die vielen Wege führten dazu, dass ich am Abend starke Schmerzen im kompletten Oberkörper bekam. Diese verwandelten sich dann in einen Muskelkater an Stellen, von denen ich vorher nicht einmal vermutet hätte, dass sich da Muskeln befinden. Der Gips war schwer, aber die Schmerzen im Fuß waren mit Tabletten gut kontrollierbar.

 

Nach ca.1 Woche war die Schwellung soweit zurückgegangen, dass operiert werden konnte. Ist die Schwellung noch zu stark, ist eine OP nicht möglich, da die Wundheilung stark beeinträchtigt wäre. Die Syndesmose war bei mir mitbetroffen, also bekam ich zu der Platte eine Stellschraube eingesetzt. Das bedeutete 6 Wochen keine Belastung, also überwiegend liegen-Bein hochgelagert. Sobald man es herunternahm, hatte man das Gefühl, dass sämtliche Körperflüssigkeiten sofort in dieses Bein wandern…

 

Die Schmerzen waren mit den entsprechenden Schmerzmitteln gut zu tolerieren. Der fehlende Gips machte das Bein leichter. Am Tag nach der OP begann der Fuß zu brennen. Es war, als würde einem jemand immer wieder heißes Wasser darüber schütten. Das Gefühl hörte erst auf, als 2 Tage später die Drainage entfernt wurde.

 

Nach 4 Tagen durfte ich nach Hause. Ich reduzierte die Schmerzmittel, da sie trotz Magenschutz Beschwerden verursachten. Der Fuß kann maximal ½ Stunde unten bleiben-dann ist er wieder dick und dunkelblau. Das Wort Geduld bekommt eine völlig neue Bedeutung… Schlimmer als das Herumliegen war aber die Hilflosigkeit und Abhängigkeit von anderen. Man fühlt sich nutzlos. Mein Lebensmittelpunkt wurde die Couch, da die Stufen unserer Wendeltreppe ein unüberwindbares Hindernis darstellten.

 

Nach 4 Wochen bekam ich 3xpro Woche Physiotherapie. Da der Fuß noch nicht belastet werden durfte, bekam ich Lymphdrainage. Diese ließ ihn immer wieder sehr schön abschwellen, und meine Hoffnung wuchs, dass ich irgendwann mal nicht mehr die Schuhe meines Mannes tragen muss-Ja, mein rechter Fuß brauchte in dieser Zeit 2 Schuhgrößen mehr. Es gab immer wieder Tiefpunkte, ich wurde neidisch auf jeden, der selbstverständlich an mir vorbeilief und träumte nachts immer wieder davon, dass ich einfach aufstehe und loslaufe.

 

Die Körperpflege gestaltete sich auch schwierig, aber ich fand schnell heraus, dass ein Vollbad unkomplizierter ist, als duschen. Das kaputte Bein konnte auf dem Badewannenrand hochgelagert geparkt werden-nur beim heraussteigen benötigt man Hilfe. Manchmal wurde ich auch vergessen… Aber es gab auch andere lustige Momente. Als ich zum Beispiel nach der allabendlichen Körperpflege nach einer 2.Socke verlangte, fragte mein Mann wofür. Ich antwortete: „Damit mein Fuß nicht gleich wieder schmutzig wird!“ (Mittlerweile durfte ich abrollen, ohne Belastung) Er antwortete: „Bei mir ist es so sauber, da kann man vom Boden essen!“ Ich reagierte belustigt: „Ja, alles was runtergefallen ist!“ Solche Späße lockerten auf, denn für meinen Mann änderte sich das Leben ja auch völlig abrupt.

 

Nach 4 Wochen war die Narbe komplett verheilt und die Physiotherapeutin massierte sie mit. In regelmäßigen Abständen erfolgte die ärztliche Kontrolle. Für den weiten Weg ins Röntgen „trainierte“ ich auf unserem Gartenweg. Meine Therapeutin wies mich dann darauf hin, dass das schlecht für den Rest meines Körpers ist, weil man ja in Fehlstellung trainiert. Man sollte ohne Belastung nur die Wege zurücklegen, die unbedingt nötig sind, also konzentrierte ich mich wieder auf die Bewegung der Zehen… Die Treppe zum Eingang bewältigte ich durch „Hüpfen“  , während ich die Wendeltreppe auf dem Gesäß hinaufrutschte.

 

Wenn es draußen schneite, bekam ich Angst, ins Auto steigen zu müssen. Auch Nässe wurde zum Feind, denn eine kleine Pfütze auf den Fliesen konnte das wegrutschen meiner Gehhilfen zur Folge haben. Manchmal saugte sich auch eine von ihnen am Untergrund fest-wieder Stolpergefahr… Meine Arme ähnelten mittlerweile denen einer russischen Kugelstoßerin, während die Muskeln im Bein verschwunden waren. Ich hatte ein dünnes und ein dickes Bein und 6kg Gewichtszunahme. Dafür konnte ich perfekt auf dem linken Bein balancieren.

 

Nach 7 Wochen erfolgte die Entfernung der Stellschraube in einer kurzen Narkose. Ich hatte nur den typischen Wundschmerz, aber die übrigen Beschwerden wurden deutlich besser. Der Kompressionsstrumpf kann problemlos angezogen werden, und hilft dabei, dass das Bein nicht mehr ganz so stark anschwillt. Nachts werde ich beim „Seitenwechsel“ trotzdem weiter wach, denn mein Hirn hat sich daran gewöhnt, dass der Fuß immer wieder neu abgepolstert werden muss. Auch bei der Gangschule behindert der Kopf die Abläufe. Die Anfangsbelastung von 20kg reguliert der Körper fast von allein, aber das abrollen mit dem gesunden Fuß muss man üben. Mittlerweile versuche ich, auf beiden Beinen zu stehen und das Vertrauen in das kaputte Bein zurückzugewinnen. Das wird wohl der schwerste Kampf!

9 Wochen nach meinem Sturz und 8 Wochen nach der OP gibt es erste Erfolge. Ich laufe auf beiden Beinen-noch mit Stützen, aber ich laufe! Die Treppe muss ich auch nicht mehr hüpfen-es geht langsam, aber vorwärts!

Zwischendurch gibt es immer wieder kleine Rückschläge, denn wenn man zu schnell zu viel will, wird man mit einem dicken Fuß bestraft. Also gibt es immer wieder Pausen, aber das Laufen ohne Stützen klappt immer besser. Abends lege ich den Fuß weiterhin hoch und kühle. Morgens dauert es dann ca.1/2 Stunde, bis er einsatzbereit ist. Es ist so, als gehört er nicht zum Körper…

Mittlerweile sind 12 Wochen vergangen. Die 1.Woche Reha-Sport habe ich hinter mir. Anfangs ging es gut voran, aber am Freitag hatte ich ein Tief- der Fuß schmerzte so stark, dass mir auf dem Heimweg die Tränen liefen. Hinzu kam der Druck: Kannst du je wieder am OP-Tisch stehen? Morgens dauern die Schmerzen noch immer ca. eine halbe Stunde an, abends sind dann Innen-und Außenknöchel geschwollen. Auf Anraten meines Therapeuten mache ich jetzt Quarkwickel-das tut gut… 13.4.-nach genau 13 Wochen habe ich heute zum 1.Mal keinen stechenden Schmerz mehr im Gelenk. Es ist ein großartiges Gefühl! Da soll nochmal jemand behaupten, die 13 wäre keine Glückszahl…

 

Nach 4 Monaten hatte ich meinen 1.Arbeitstag- 4 Stunden. Es war o.k., denn Schmerzen habe ich im Moment nicht. Seit 1 Woche nehme ich Schmerztabletten, um entzündliche Prozesse im Gelenk einzudämmen und das Abschwellen zu fördern-positiver Nebeneffekt: Schmerzfreiheit und besserer Gang. Parallel habe ich weiterhin Krankengymnastik. Das ist auch nötig, da Achillessehne und Wadenmuskulatur noch immer verkürzt sind. Der Druck der Platte bleibt…

5 Monate sind seit dem Unfall vergangen. Ich arbeite Vollzeit, mache aber weiter 2x pro Woche Sport. Das Stechen im Fuß ist weniger geworden, die Platte merke ich deutlich und auch das abrollen ist noch suboptimal. Ich komme bei den sommerlichen Temperaturen gut mit den Kühlakkus über den Tag, aber ohne Kompressionsstrumpf schwillt der Fuß noch stark an…

Nach einem ¾ Jahr bekam ich starke Schmerzen in der Hüfte der Gegenseite, also befragte ich den Arzt: Ich habe zu früh mit den Schmerzmitteln aufgehört, und dadurch ständig fehlbelastet. Also hieß es wieder: Schmerztabletten. Es half-nach nunmehr einem Jahr laufe ich wieder relativ normal-nur bei Glätte habe ich Panik, aber das geht aus meinem Kopf einfach nicht raus…

 

 

 

 

 

 

 

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