Dieses Gefühl kann Dir kein E-Bike geben

Nach 10 Monaten-erst Winter-dann Verletzungspause, saß ich heute das 1.Mal wieder auf meinem geliebten alten Drahtesel. 23 Jahre lang war das für mich ganz selbstverständlich mein tägliches Fortbewegungsmittel und mein Begleiter bei spannenden Flußradtouren.

 

Ich bin immer erstmal losgefahren und hab mir dann überlegt, wie ich weiterkomme. Mein Rad brachte mich an traumhafte Orte, an denen man mit dem Auto nicht vorbeikommen würde. Viele lustige und nicht ganz so lustige Situationen haben wir erlebt-auf der Suche nach dem Saaleradweg hatte ich auf der Bundesstraße große Angst, von einem LKW übersehen zu werden. Als ich eine Talsperre umrunden wollte, landete ich im Nirgendwo-folgte einem Flüsschen und kam dann wieder ins Tal. Als der Elsterradweg plötzlich zu Ende war, dachte ich, ich müsse durch den Fluß…Auf dem Weg zum Kaltwassergeysir in Andernach baggerte mich ein Wiener an, obwohl mir eine gute Freundin mal gesagt hatte, Frauen ab 40 seien unsichtbar…Auf dem Elberadweg hatte ich mich komplett verfahren, aber die landschaftlich schönere Route entdeckt, bis ich an einem einzelnen Gehöft vorbeikam, vor dem ein blutverschmierter Mann mit Messer stand. Er bemerkte meine Unsicherheit, grinste und erzählte, dass er gerade eine Gans geschlachtet hat, und nun auf das heiße Wasser warten musste. Ich war erleichtert, und wir erzählten eine ganze Weile. Auf einer anderen Tour verfuhr ich mich auf unserem schönen Rennsteig, da durch die Baumfällarbeiten auch die Wegweiser verschwunden waren. Es wurde langsam dunkel, da fuhr der Förster vorbei und wies mir den richtigen Weg.

 

Ich könnte endlos so weiterschreiben, denn das war immer mein kleines Stückchen Freiheit…

 

Nachdem meine Sprunggelenksfraktur offiziell als geheilt gewertet wurde, versuchte ich aufs Rad zu steigen-Fehlanzeige. Nach den vielen kleinen Fortschritten, die ich gemacht hatte, war das eine herbe Niederlage.

 

Doch ich gebe mich nie geschlagen. Ich sehe Sport ja eher so als Zwangshandlung, denn mein Körper hat noch nie zu mir gesagt: „Beweg mich jetzt bitte…“ , aber ich wusste, das ist der einzige Weg, um wieder vernünftig laufen zu können. Ich muss sagen, meine „Muckibudenbesuche“ haben sich gelohnt, denn heute schaffte ich die 1.Tour. Wer mich kennt, weiss wo sie hinführte-natürlich an die Brücke. Egal welchen Weg man dorthin fährt-es sind immer 3,5 km. Ich grübelte eine Weile, was es damit auf sich haben könnte, fand aber keine Erklärung.  Im Wald musste ich mehrfach schieben, denn als OP-Schwester, welche nach jedem Wochenende Opfer von Fahrradstürzen mitversorgen  muss, ist man vorsichtiger-abschüssige Schotterpisten werden zu Feinden…In letzter Zeit häufen sich sehr schwere Frakturen-entstanden bei der Benutzung von E-Bikes. Ist ja irgendwie auch kein Wunder-so unsicher, wie ich heute nach 10 Monaten Zwangspause losfuhr, sind natürlich auch die, die jahrelang nicht auf 2 Rädern unterwegs waren, und nun begeistert losfahren…

 

Ich bin da wohl eher altmodisch, denn ich benutze auch den Tempomaten unseres Autos nicht. Ich möchte spüren, dass ich das Rad fortbewege, wie sich jeder Muskel anspannt um den Berg hinaufzukommen und die Euphorie, es geschafft zu haben. Der heutige Tag brachte mir dieses Glücksgefühl...

 

 

 

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