Achtung vor dem Leben...

Wieder so ein lauer Sommerabend-so einer, wie wir uns die ganzen letzten Wochen wünschten. Ich genieße diese Zeit-den Vögeln lauschen, kein Fernseher mit Horrormeldungen-einfach Frieden. Ich denke, diese Art von Frieden schätzen wir oft viel zu wenig. Heute operierten wir einen 94 Jahre alten Mann. Er war körperlich und geistig noch sehr fit. Es hört sich für Außenstehende vielleicht seltsam an, aber für mich sind diese Operationen in Lokalanästhesie besser. Zum einen ist es für ältere Patienten schonender, als eine Narkose, zum anderen deckt man nicht nur Instrumententische und hält Haken, sondern darf für diese Zeit Krankenschwester sein: ermutigen, mal die Hand halten oder ein Späßchen machen, um die Angst zu nehmen. Und genauso war es heute. Die Operateurin wies freundlich darauf hin, dass es mal kurz stechen kann, aber der alte Mann verzog keine Miene. Als sie ihn erstaunt fragte, ob das nicht weh getan hat, antwortete er, es gäbe keinen Schmerz, der dem der Kugel in seinem Kopf im Krieg nahe käme. Ich sagte: „Stimmt, Sie gehören ja leider zu der Generation, der durch die Weltkriege Kindheit und Jugend genommen wurden.“ Als wir fast fertig waren, fragte er, ob wir noch ein bisschen Stroh im Kopf gelassen hätten. Ich musste lachen und erklärte ihm, daß seine Flausen noch drin sind. Er bedankte sich höflich, aber eigentlich war ich dankbar für diesen Teil meiner Arbeit.

Später überlegte ich mir dann, wie wohl die heutigen Teenies in dem Alter sind. Für Viele zählt nur der Konsum, das eigene Ego-nichts wird hinterfragt. Umso glücklicher war ich am Sonntag wieder über die Reaktion unserer Tochter. Ich wollte gerade Abendessen machen, da rief mein Mann. Hinter dem Hundezwinger war eine Igelfamilie. Ich wunderte mich, warum sie nicht wegliefen, da bemerkte ich, daß die Mutter tot war. Die 3 Kleinen versuchten vergeblich zu trinken. Meine Tochter griff sofort zum Handy, sprach mit ein paar Leuten und sagte dann: „Wir können die Kleinen in die Tierauffangstation bringen!“ Also packten wir sie in einen Korb, stellten die Klimaanlage auf kalt, und düsten los. Die Mitarbeiterin hatte eigentlich schon Feierabend, nahm die Kleinen aber freundlich in Empfang und dann mit nach Hause. Gestern erfuhren wir, dass 2 von ihnen schon selbst essen können, das 3.bekommt noch die Flasche. Es müsste sehr viel mehr Menschen mit soviel Herz geben…

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Kommentare: 2
  • #1

    M.Z. (Mittwoch, 12 August 2020 10:21)

    Es berührt mich jedesmal,wenn ich deine so sinnvoll und lieben Berichte lese.Wenn jeder so denken und handeln würde,wer die Welt in Ordnung.

  • #2

    Cornelia Besoke (Freitag, 14 August 2020 09:07)

    Herzlichen Dank für die lieben Worte.