Kämpferherz

Ich weiß noch genau, wie die 1.Begegnung mit unserem Enkelchen war.Unsere Tochter hatte etwas im Arm. Im 1.Moment dachte ich,es sei eine Handtasche. Als ich bemerkte, daß sich das kleine Wesen bewegt, fragte ich erschrocken, was das ist.Unsere Tochter antwortete belustigt:"Nicht was,sondern wer-das ist Tyson!". Eigentlich wollten sie nur Welpen anschauen...Er schlief auf unserer Couch ein, und um ihn zu wecken rief ich:"Juri,huhu!". Er wachte auf, hatte einen neuen Spitznamen und einen Platz in unseren Herzen. Unsere Bonnie war erst verwundert über dieses grunzende Bündel-das ging vielen Hunden so,doch dann wurden sie dicke Freunde. Lange bevor ein anderer Rüde bemerkte, daß sie heiss wird, klebte Tyson wie ein Magnethund an ihrem Hintern.Das ist nun mehr als 13 Jahre her. Durch alle Höhen und Tiefen begleitete er mein kleines Mädchen. Ich erinnere mich an die Zeit, als die beiden in Chemnitz wohnten. Sie musste ins Krankenhaus, weigerte sich aber,weil sie niemanden für Tyson hatte.Mein Vater fuhr daraufhin von Halle nach Chemnitz und brachte ihn anschließend nach Suhl. Als ich mir Sorgen machte, dass unsere Tochter nach der Spätschicht noch im Stadtpark joggte, antwortete sie beruhigend, sie hätte doch den Hund dabei. Und ja, so klein er auch war, er hatte den Kampfgeist eines Großen. Nicht nur als Beschützer, sondern auch bei der Überwindung seiner zahlreichen Krankheiten. Und unsere Tochter unternahm alles,um ihn immer wieder fit zu bekommen-Operationen, unzählige Tierarztbesuche und Physiotherapie...Diesmal schien es nun anders. Er hatte einen Tumor, der einen Tag vor unserer Fahrt zum Metallicakonzert nach Hamburg begann zu bluten. Unsere kleine Rennschnecke wollte ihm die Fahrt nicht zumuten, was ich natürlich verstand. Es machte mich aber sehr traurig, denn ich wusste, was dieser Verlust für sie bedeuten würde. In der Nacht träumte ich von unserem Sohn. Das passiert leider sehr selten. Ich musste ihm eine Hose anziehen, und erklärte ihm,dass es mir leid tut, dass ich ihn gerade behandeln muss,wie ein Baby, aber er reagierte verständnisvoll. Als ich aufwachte, war ich verwirrt. Unsere Tochter hatte für Tyson Windeln und eine Latzhose gekauft-so hatte sich das wohl in meinen Traum geschlichen. Mäxchen hatte den kleinen Kerl auch sehr lieb, und als er starb, war er Trost für unsere tapfere kleine Frau. Neben uns war er lange Zeit die einzige Konstante in ihrem Leben...
Wir fuhren zu Zweit los. Gegen Mittag telefonierten wir. Seine Tierärztin gab Entwarnung, und mein liebes Kind beruhigte sich. Das tröstete mein Mutterherz.
Wir kamen in unserer Unterkunft an und ich war hin und weg-alles total gemütlich, mit Willkommenstrunk...Der Vermieter war sehr nett und manchmal fügt sich so ein Chaos ganz neu,denn er fragte nach den Karten und bot an, sie zu nehmen und auch zu fahren. Ich bummelte durch die herrliche Gegend, überall kleine Flüsschen und ein See. Die anwesenden Gänse fauchten, es stimmt wohl, dass so eine Gans besser, als ein Wachhund funktioniert. Mein Mann erkundigte sich gleich bei mir, klärte aber auch sofort, dass wir die dann Weihnachten schlachten würden. Das ging natürlich nicht, denn wer bei uns wohnt,bekommt einen Namen und wird auch nicht gegessen.
Gegen 5 ging es los Richtung Hamburg. Ein bisschen hatten wir den Großstadtverkehr wohl unterschätzt, denn wir brauchten statt einer ganze 3 Stunden. Die Menschenmassen (es wurde von rund 100000 geschrieben)waren der Hammer. Trotzdem ging alles sehr friedlich zu. Die gemeinsame Freude auf das Konzert ließ so manche Grenze verschwinden. Vieles wurde mit Humor genommen-warum geht das im wahren Leben nicht.
Es ging los. Die Bässe gingen durch Mark und Bein, und ich fühlte. Das können seit 5 Jahren nur 2 Dinge-eins davon ist gute und laute Musik.Und die hatten wir den ganzen Abend. Das sind die Nächte,von denen man hofft,sie würden nie enden...
Wieder zurück gab es noch ein Gläschen Wein auf der Terrasse. Die Nacht wurde sehr kurz, denn wir hatten keinen schönen Tag vor uns-über die Autobahn ging es Richtung Berlin zur Trauerfeier eines guten Freundes. Sein Kämpferherz hatte leider viel zu früh aufgehört zu schlagen. Glücklicherweise sind seine beiden Weggefährten nun wieder in tollen Familien. Dieser Zusammenhalt in unserer kleinen Truppe ist einfach unbezahlbar.
Mein Mann versuchte mal wieder die angegebene Ankunftszeit zu unterbieten. Ich erklärte daraufhin, daß wir unseren Freund heute noch nicht persönlich wiedersehen müssen...
Nicht mehr richtig fühlen zu können hat manchmal auch was Positives. Das klingt vielleicht seltsam, aber an Tagen wie diesen bin ich dankbar dafür.
Es war eine würdige Trauerfeier in der kleinen Dorfkirche, die er wie viele andere hier,als Zimmermann restauriert hat. Über seinem Grab flogen immer wieder Tauben.  Es war, als wäre er dabei. Das erzählte ich seiner Lebensgefährtin später beim Kaffee, und hoffe,es tröstet sie ein wenig. So manch lustige Geschichte kam wieder zum Vorschein. Ich glaube, das hätte ihm gefallen. Seine Freunde hatten für die Hunde gesammelt. Das geben wir natürlich gerne weiter...Für uns ging es nachmittags zurück nach Hamburg. Am frühen Abend kamen wir an. Eigentlich wollten wir uns ein nettes Restaurant suchen, aber nachdem ich mir endlich was bequemes angezogen hatte, war ich zu kaputt. 4 Stunden Schlaf reichen irgendwie nicht mehr. Also zauberte ich uns was in der Küche, und wir genossen den Abend auf der Terrasse...Wir telefonierten eine ganze Weile mit unserer Tochter. Unser kleiner Kämpfer macht weiter, und ich war erleichtert. Ringsherum zwitscherten die Vögel, und wir genossen einfach nur die Ruhe unter der 300 Jahre alten Eiche. Das war Balsam für die Seele. Von der gegenüberliegenden Seite kamen seltsame Geräusche. Ich dachte,hört sich an wie ein Heißluftballon, mein Mann sprach es aus.Ich begab mich auf die Suche. Leider waren sie schon zu hoch, sonst hätte ich gefragt, ob ich mit darf...Das ist auch so ein Punkt auf meiner Löffelliste...Gute Nacht, Ihr Lieben!