Einsam oder Allein?

Das ist für mich ein Unterschied. Wer allein ist, muß nicht einsam sein. Viele Menschen leben heutzutage allein. Ich denke, diejenigen, die das bewusst so tun, sind mit diesem Zustand zufrieden, die anderen sind einsam...Ich bin quasi nie allein, manchmal trotzdem einsam, und trotzdem davon überzeugt, daß der Trubel in meinem Leben den Motor am Laufen hält, und dafür sorgt, daß ich nicht verblöde. Das hört sich hart an, aber im Laufe meines Lebens sind mir viele Menschen begegnet, die immer sehr aktiv lebten, ihr Hirn nutzten, und als sie aufs "Abstellgleis" kamen, an Demenz erkrankten. Das ist erschreckend. Trotzdem sehne ich mich hin und wieder danach, allein zu sein. Ich kann stundenlang allein am Strand entlanglaufen oder an einem Fluß oder See sitzen, und über Gott und die Welt nachdenken oder einfach nur die Umgebung genießen. Früher machte ich hin und wieder Radtouren, immer an Flüssen entlang, denn mein Orientierungssinn ist jetzt nicht unbedingt ausgeprägt. Wo es schön war, hielt ich an, schnüdelte eine oder machte ein Foto. Beim radeln bekommt man den Kopf frei... Ich bin in diesen Situationen nicht einsam, sondern sehr zufrieden. Nach dem Tod unseres Sohnes war ich nicht eine Minute allein-klar, alle machten sich Sorgen, wollten helfen, aber ich musste meine Rolle immer weiter spielen. Es fehlte mir Zeit zu trauern, Abschied zu nehmen...Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht war, aber mein Leben ist seither völlig anders. Ich nehme viele Dinge viel bewusster wahr, höre auf mein Bauchgefühl, mache Sachen, die ich vorher nicht getan hätte, wähle die Menschen in meinem Umfeld bewusst aus, versuche keine Zeit zu verschwenden, und genieße es, wenn ich mal etwas fühle.

Ich weiß nicht, ob all die lieben Menschen, die mir anboten bei ihnen zu übernachten verstehen, wie wichtig dieses Wochenende für mich allein ist. Ich habe bewusst eine kleine Pension an der Saale-meinem Heimatfluß -gewählt, um selbst zu entscheiden, was ich wann machen möchte. Ich freute mich nach langer Zeit mal wieder allein zu sein. Mich an einem leckeren Frühstücksbüffet bedienen zu lassen, Zeit mit meiner besten Freundin zu verbringen, am Fluß zu sitzen, spazieren zu gehen, ohne zu wissen, wohin der Weg führt, meine Verwandten zu treffen, und trotzdem frei entscheiden zu können, wann es genug für mich ist. Das ist für mich Luxus...

Der Tag war vollgepackt mit Arbeit, dafür flutschte es auf der Autobahn. Die kleine Pension befand sich direkt an der Saale.Aus meinem niedlich eingerichteten Zimmer konnte ich sie sehen. Ich setzte mich auf eine Bank ,und war sofort angekommen. Das berichtete ich auch meinen Lieben und verabredete mich mit meiner lieben Bratwurst. 

Das Restaurant gleich nebenan war rappelvoll, aber meine Freundin hatte sofort eine Idee. Wir aßen sehr lecker ,und ich war viel zu dick angezogen, denn hier schien die Sonne und es war warm. Ein Sommerabend, wie er sein sollte. Als es dunkel wurde setzten wir uns auf eine Bank an die Saale. Es war herrlich ruhig, was dazu führte, dass wir automatisch flüsterten. Wir sind schon über 30 Jahre befreundet. Viele Höhen und Tiefen haben diese Freundschaft begleitet. Nie hat eine von uns beiden der anderen Vorwürfe gemacht, eher haben wir miteiander gelitten...Ich glaube, das ist es, was es so besonders macht. Da zählen keine Kilometer, tägliche Treffen und ähnliches, sondern einfach, dass man weiß, da ist jemand der einen versteht und einfach so nimmt,wie man ist. Dafür bin ich unglaublich dankbar. Wir machten uns auch gleich nochmal eine Freundinnenauszeit wie im Frühjahr aus-darauf freue ich mich schon.

Dann war ich zurück in meinem quietschbunten Zimmer-orange Tagesdecke,pinkfarbenes Laken, giftgrüne Bettwäsche, gelbe Wände...machte den Fernseher an und ging duschen. Ich kuschelte mich ins Bett-allein, das war schon seltsam, denn das war in den letzten 34 Jahren eher selten der Fall, aber ich genoss es. Ich trank noch einen Becher Wein und schrieb ein bisschen. Nachts war ich wieder mehrfach wach, also stand ich gegen 8 auf, zog die Vorhänge zurück und schaute auf den Fluss. Zum Glück regnete es nicht, so wie vorhergesagt, obwohl ich damit auch nicht gerechnet hätte...

Ich träumte ein bisschen vor mich hin, dann gabs ne schöne Dusche und anschließend begab ich mich auf die Suche nach dem Restaurant. Der nette Mann hatte mir gestern alles gezeigt, aber mein Orientierungssinn-naja...Im Urlaub mag ich keine Hotelübernachtungen mit Zeitvorgaben für die Mahlzeiten, aber an diesem Wochenende freute ich mich auf ein gemütliches Frühstück, ohne dass ich dafür etwas machen musste. Obwohl mein Männlein das auch ganz gut kann...Wenn man dann so alleine im Restaurant aufkreuzt, ist das auch erstmal seltsam, aber das schöne am älter werden ist ja,dass es einem egal wird,was die anderen denken...Die junge Familie mit den 3 kleinen Kindern hatte alle Hände voll zu tun, während ich auf den Fluss sah und es mir schmecken ließ. Ein Eisvogel landete, und ich war überrascht, wie sauber der Fluss wieder war. Als ich noch hier wohnte,wäre niemand auf die Idee gekommen, darin zu baden-man wäre wahrscheinlich aufgelöst worden, wie in Salzsäure...

Ich spazierte los-zuerst zu den alten Getreidespeichern,einem tollen Lost Place. Neugierig sah ich mich um, bis ich im Inneren der 3 riesigen Gebäude Geräusche hörte-so mutig war ich dann doch nicht. Ob es Ratten oder Menschen waren, wollte ich nicht unbedingt herausfinden. Beides hätte mich nicht erfreut. Der Weg führte vorbei an einem riesigen Gestüt. Beim Stöbern im Netz hatte ich noch einen alten Friedhof entdeckt. Alles war zugewuchert, er schien vergessen, aber das was man noch sehen konnte, war unglaublich schön, wenn man in solch maroden Dingen etwas Schönes sehen kann...Auch an solchen Orten ist man allein, ich war es nicht, denn ich hatte die Sonne, ein Gebo und einen grünen Orb in meiner Nähe.

Kurze Pause auf der Terrasse am Fluss, dann fuhr ich mit meinem Heinz los. Wir fuhren zur Fähre und setzten über. Der Fährmann fragte belustigt, ob der Typ hinter mir mich angehupt hat. Kurz darauf fragte er ihn,was das soll und ich musste lachen. Ich spazierte die Saale entlang, vorbei an den Brachwitzer Alpen. Auf dem Rückweg gönnte ich mir ein Eis in einem niedlichen Restaurant. Die Menschen wurden mir allerdings schnell zu viel und ich verzog mich auf eine Bank am Fluss-endlich wieder Ruhe...Boote schipperten vorbei, und ich dachte daran, daß ich meinen Führerschein nie wieder gebraucht habe. So ne Flusstour wäre doch mal was. Als Kind fand ich das langweilig, aber jetzt?!

Ich begab mich auf den Rückweg, denn gegen 4 wollte ich zur Geburtstagsparty meiner Schwester fahren. Natürlich wollte ich pünktlich sein, und war gespannt,  ob sie es auch rechtzeitig schafft. Unter anderem in diesem Punkt unterscheiden wir uns sehr...Diesmal fuhr ich über Land, durch Orte, in denen ich auch früher nie war. Überhaupt fühlte sich nichts wie Heimat an. Es ist, als wäre ich nie hier gewesen-ein seltsames Gefühl, das sich besserte, als ich an Burg Giebichenstein vorbei kam. Das war immer mein Lieblingsausflugsziel mit Omi-meine Burg! An der Tanke rief die Verkäuferin einem Mann nach: "Ihre Schnongse",und da musste ich lächeln-ja,er hatte seine Bonbons vergessen und ich hatte ein Stück Erinnerung zurück...

Die Zeit, bis ich los musste, verbrachte ich an der Saale. Ich hätte da auch den Rest des Tages noch gesessen. Irgendwie wird das nicht langweilig.

Ich telefonierte mit unserer Tochter, dann machte ich mich fertig. Renovierungsarbeiten dauern mit zunehmendem Alter etwas länger...

Ich war da, und mit mir ein Wolkenbruch, also blieb ich erstmal im Auto...Pünktlich halb 5 war der Spuk vorbei und das Geburtstagskind traf ein,und nach und nach die anderen Gäste. Es war eine sehr schöne Feier mit guten Gesprächen, leckerem Essen und handgemachter Musik. Als ich die ganzen Kinder wiedersah, stellte ich erschrocken fest, dass ich wirklich lange nicht mehr da war. Gegen Mitternacht fuhr ich zurück und fiel ins Bett. Das Bild mit der Drohnenaufnahme für meine Schwester-alle Gäste als 50-kam noch in der Nacht. Da ich nicht wusste, wer hier davon zu sehen sein möchte, bleibt das natürlich privat. Eine schöne Idee war es auf jeden Fall und eine tolle Erinnerung. Gegen 8 war ich wach, also stand ich auf, duschte und packte das Auto. Auf dem Flur roch es schon lecker nach Kaffee und Brötchen und ich freute mich aufs Frühstück. 

Weiter ging es ins Rosarium nach Sangerhausen. Rosen haben für uns ja eine besondere Bedeutung, und dieser Park ist ein Traum. Am Parkautomaten fehlte mir Kleingeld. Ich fragte einen netten Herren, ob er wechseln könnte,da schenkte er mir den fehlenden Euro. Ich glaube nicht, dass ich alle Rosen gesehen habe, aber meine fand ich-ohne Blüten...Ja,meine Blütezeit ist wohl vorbei. Nach der Hälfte machte ich Pause in einem der Cafés. Hier gibt es auch einen Hochzeitspavillion-das wäre damals ein Traum gewesen...Auch hier war ich nicht allein. Auf einem der Fotos erschien ein blauer Orb und die Sonne schien. Ein herrlicher Ort zum Entspannen. Nun geht es heimwärts...





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